Karezza, in ihrer vollkommenen form, bedeutet natürliche liebes-ehe, jene heimatliche, zu tiefst befriedigende vereinigung der körper wie der seelen, nach der alle wahre liebe sich sehnt und in der die ideale ehe besteht, und jede wiederholung dieses geschehens bringt die beiden wesen in immer tieferen, innigeren einklang.
KAREZZA PRAXIS VON J. WILLIAM LLOYD LIEBE als austausch magnetischer kräfte Die kunst ehelicher liebe KAREZZA, in ihrer vollkommenen form, bedeutet natürliche liebeserfüllung, jene heimatliche, zutiefst befriedigende vereinigung der körper wie der seelen, nach der wahre liebe sich sehnt und in der die ideale ehe besteht Aus dem englisch-amerikanischen übersetzt und
herausgegeben von |
J. William LLOYD, ein Mann der praktischen Lebenskunst, dringt in diesem Buche in umfassender Weise in die Fragen von LIEBE und EHE ein. Der Verfasser
versteht sie aus dem tiefen Atem des Alls heraus und führt mit aller Klarheit
und Offenheit in das Wesen der Geschlechtsverbindungen hinein. Er berichtet von
"Karezza", einer Art körperlicher Vereinigung, die das Liebesverlangen zweier
Menschen segnend erfüllen kann und seelisch und körperlich heilbringend wirkt
ohne daß dabei der Zeugungswille der Natur irgendwie geschändet würde.
Liebe an sich will innerlich zeugen und kann dies durch "Karezza" auch voll
erreichen, während die körperliche Zeugung von Nachkommenschaft ein bewußtes und
gewolltes Geschehen für sich wird, das sich einer Liebesverschmelzung einordnen
kann, es jedoch nicht muß.
Kein Abwürgen seelisch-körperlichen Liebesverlangens - keine
Kraftverschleuderung - keine Vergewaltigung, weder der Natur noch ihres
Zeugungswillens - keine "Verhütungsmittel" - sondern Erfüllung ewiger Gesetze
aus ihrem tiefen Verstehen heraus lehrt uns "Karezza-Praxis".
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort des herausgebers Vorwort des verfassers Sinn und geschiente von Karezza Einwände Grundgesetze Liebes-ernährung Karezza und die frauen Magnetation Reinlichkeit Geschlecht und seele Die drei zwecke geschlechtlichen geschehens Zweipoligkeit und geistiger gehalt der Sexualität ... Liebesaustausch als Jungbrunnen alles lebens Der freudenwein der Sexualität |
Karezza-praxis Die mitwirkung der frau bei Karezza Die Zeiten starken liebesverlangens der frau Braucht die frau den orgasmus ? Das erschrecken der frau Psychische impotenz Die Schönheit von Karezza Die gefahr der Übertreibung Ist Karezza allen möglich? Karezza und coitus interruptus Orgasmus der frau und empfängnis Orgasmus, innere Sekretion und Wissenschaft Zusammenfassung der vorteile von Karezza |
VORWORT DES HERAUSGEBERS
Die offene besprechung aller fragen des sexuellen ge-bietes
bricht sich immer mehr bahn. Dabei stehen sich zwei auffassungen gegenüber:
a. die medizinisch-naturwissenschaftliche, die vor allem das
körperlich-tierhafte betrachtet;
b. die durchseelt-geisteswissenschaftliche, die alles körperliche als ausdruck
innerer, seelisch-geistiger Vorkommnisse wertet.
Beide auffassungen unterliegen leicht der gefahr der einseitigkeit. Diese macht
aus erkenntnissen, die an sich richtig sein mögen, zerrbilder, die verwirrung
und unheil stiften können, wo klare überschau erlösung brächte. Dabei könnte
jede der beiden richtungen durch gutwillige Vertiefung in die erfahrungen und
forschungsergebnisse der gegenseite reich befruchtet werden.
Meine bisherigen erfahrungen haben mir gezeigt, daß die Verfechter der mehr
geistigen betrachtungsweise ernsthaft auch die tatsachenweit der mediziner
studieren und darin recht gut bescheid wissen, während die zünftigen
sexualwissenschafter fast ohne ausnahme allem liebesgeschehen, wie es durch
Karezza gekennzeichnet werden mag, verständnislos gegenüber stehen. Meist
erwähnen sie solche möglichkeiten überhaupt nicht oder dann nur in einer
geringschätzigen nebenbemerkung. So vernimmt die überwiegende mehrzahl suchender
menschen nichts grundlegend richtiges über umfassend geistbetonte lösungen, und
nur die allerwenigsten finden den ausweg aus ihren sexual-, liebes-, ehe-nöten.
Auch mich führte nicht mein denken, sondern die weise und gütige hand des
geschicks zu diesem für mich neuen, morgenklaren wissen.
Vor sechs jahren fand ich hier in New York die lehre von Karezza und brachte sie
mit heim nach Europa, indem ich das buch der ärztin dr. med. Alice Stockham,
Etik der ehe, ins deutsche übersetzte und herausgab. Unterdessen veröffentlichte
ich auch mein umfassenderes werk "Liebesklarheit" und versuchte an hunderten von
vorträgen durch das licht geistgetragener und lustbejahender liebe das dumpfe
dunkel aller triebversklavung wie auch aller selbstquälerei und lustverneinung
etwas zu erhellen. Wieder bin ich in New York, der brausenden, gewaltigen Stadt,
und dieser tage überbrachte mir ein freund eine schrift, die noch klarer die
frage von Karezza, dieser gleichzeitig geist- wie lusterfüllten
liebesvereinigung, behandelt. Verfasser wie verlag haben ihren namen
verschwiegen; ist doch hier in Amerika die Verbreitung solcher Wahrheiten immer
noch verboten, und selbst die post verweigert die beförderung derart
"unzüchtiger" schriften. So kann ich den Verfasser nicht fragen, ob ich das
licht seines erkennens auch zu menschen deutscher zunge tragen dürfe. Doch wie
sollte ihn nicht freuen, wenn das geschieht? Hat die frau Alice Stockham mehr in
gütiger menschlichkeit und mütterlichkeit zartfühlend die umfassenden
zusammenhänge dargelegt, so geht dieser mann in wissenschaftlicher gründlichkeit
auf die wesentlichsten einzelheiten ein. Dies ist heute besonders notwendig. Ich
weiß, diese schrift des marines wird tausenden von menschen im alten Europa
ersehnte klarheit, gesundung, befreiung, freude und inneren frieden bringen.
New York, november 1929. Werner Zimmermann
Unterdessen habe ich den Verfasser ausfindig gemacht und ihn in
seiner klause besucht. Silberweiß sind haar und bart - zweiundsiebzig jahre
reichen lebens liegen hinter ihm. Und noch ist er voller pläne, voller
unternehmungslust! Friedevoll, in milder güte leuchten seine klarblauen augen,
künden von einer innern, von der ewigkeitlichen welt der Wahrheit, der Schönheit
und der Liebe.
Frei schweift der blick unter dem zarten laubdach des pfefferbaums durch in die
schimmernde weite eines südkalifornischen nachmittags. Silbern blinken die nahen
berge im neuschnee. Am steilen, steinigen hang des Freedom Hill hat unser freund
sich vor jahren zwei häuschen gebaut, sein "Schwalbennest", und auf luftig frei
gemauerten gartenterrassen sinnt die stolze, stachelbewehrte, farbenglühende
pracht seltener kak-teen.
Da verbringt er nun seine tage, im Wechsel reifer beschaulichkeit und emsigen
schaffens. Seine frau, seine so früh vollendete tochter, sie leben nicht mehr.
Überreich ist seine bücherei, und wenn an kühlen winterabenden das feuer in
seinem selbstgebauten offenen kamin prasselt, so läßt sich auf den weichen
kissen davor herrlich träumen. Groß ist die liste der veröffentlichten werke
dieses stillen mannes, und mehrere manuskripte möchten noch gerne gedruckt
werden, um den weg zu den menschen finden zu können - aus einsamkeit und
klarheit hin zu den menschen.
Los Angeles, ende januar 1930. Werner Zimmermann
VORWORT DES VERFASSERS
Ich glaube, es war im winter 1915/16, als mir eine freundin aus
Kalifornien schrieb und mich fragte, warum ich nicht ein büchlein über Karezza
verfasse. Da mich schon vorher manche geschehnisse überzeugt hatten, welch
dringendes bedürfnis nach aufklärung in diesen fragen besteht, so griff ich die
anregung auf. Das ergebnis liegt hier vor.
Freilich haben eine ganze anzahl menschen über das problem der mehr oder weniger
beherrschten liebes-vereinigung geschrieben. Doch meist drückten sie sich dabei
so vorsichtig und allgemein aus, daß Karezza dem durchschnittsleser verschleiert
blieb und dem anfänger keinen zugang öffnete. Daher erlebten die meisten
mißerfolg und wandten sich von dieser sache enttäuscht wieder ab, obschon sie
ebensogut hätte gelingen können. Erfolg oder mißerfolg aber können hier den
unterschied bedeuten zwischen ehe-scheidung oder einem leben strahlenden
liebesglücks. Ich hoffe, es sei mir gelungen, mit dieser schrift der weit einen
leicht faßlichen, praktischen führer zu stellen, der ihnen den sichern weg zu
der wichtigsten ent-deckung der menschheit auf sexuellem gebiet zu weisen
vermag.
J. W. Lloyd
SINN UND GESCHICHTE VON KAREZZA
Karezza bedeutet: beherrschte liebesvereinigung ohne samenerguß.
Das wort Karezza (sprich Karétza) stammt aus dem italienischen und kann mit
Liebkosung übersetzt werden. Frau dr. med. Alice B. Stockham war die erste, die
diesen ausdruck als sonderbe-zeichnung für die kunst und metode geschlechtlicher
beziehungen ohne das ende des orgasmus, verwendete.
Kunst und metode selber wurden 1844 entdeckt und zwar durch John Humphrey Noyes,
den begründer der Oneida-Gemeinschaft, durch erfahrungen und versuche in seinem
eheleben. Er wählte den namen: Männliche enthaltsamkeit. In einem roman "Der
streik eines geschlechts" prägte George N. Miller, ein mitglied der
Gemeinschaft, den ausdruck "Zugassent's entdeckung". Man kann beide
bezeichnungen beanstanden. Zugassent hat nie gelebt; es war "Noyes' entdeckung".
Was "Enthaltsamkeit" betrifft, weist dr. Stockham nach, daß man darunter heute
ablehnung jeglicher körperlicher geschlechtsvereinigung versteht. Die
Oneida-genossen scheinen den weiblichen orgasmus nicht abgelehnt zu haben; daher
lag der begriff "Männliche enthaltsamkeit" nahe. Dr. Stockham und ich stimmen
aber überein, daß in der höchsten form und vollendetsten ausübung dieser
liebeskunst weder mann noch frau das verlangen nach einem orgasmus haben; es
handelt sich daher nicht um eine "männliche" gegenüber einer "weiblichen"
enthaltsamkeit. Vor allem auch ist ein einfaches wort stets vorzuziehen. Daher
habe ich dr. Stockhams wohlklingendes "Karezza" übernommen, um so mehr als es
voll herrlichen gehalts, voll farbiger beschreibung ist. Ein anderer verkünder
dieser kunst war Albert Chavannes, der mich zum erstenmal mit diesem wissen
bekannt machte. Ich prägte damals den namen "Magnetation", den er in seinem
büchlein verwendete. Dieser ausdruck hat auch etwas für sich; doch Karezza
gefällt mir jetzt besser.
Noyes wurde die ehre der entdeckung abgestritten. Manche haben behauptet, solche
liebesvereinigung vor ihm, oder unabhängig von ihm, gefunden und geübt zu haben.
Das mag wohl sein. Doch haben wahrscheinlich, in ähnlicher weise, viele Europäer
und Asiaten Amerika lange vor Kolumbus entdeckt. Er aber machte diesen erdteil
der übrigen welt zuerst bekannt und zugänglich; daher gehört ihm auch die
entdeckerehre. Genau so ist es mit Noyes - er entzündete das licht von Karezza
für breitere schichten. Sein büchlein "Männliche enthaltsamkeit" zeichnet sich
durch vorbildliche beweisführung aus. Nach meinem wissen ist aber dr. Stockhams
buch "Karezza" das einzige, das zur zeit noch käuflich ist. Mehrere andere
kleinere sind erschienen. Sie verlieren sich meist derart in poetischen und
übersinnlichen ausdrücken, daß der leser, der praktische anleitung sucht, wenig
damit anzufangen weiß. Im weitern haben alle diese darsteller stillschweigend
übernommen, das verhalten der frau spiele in hinsicht auf das gelingen keine
rolle, alles hänge vom manne ab. Dies ist ein grundlegend wichtiger irrtum, der
die ursache der meisten enttäuschungen bildet.
Solche erkenntnisse veranlaßten mich vor allem, dies neue büchlein zu schreiben.
Ebenso gehört es in diese zeit einer kräftigern werbung für künstliche
empfängnisverhütung. Lastet doch eine unerklärliche, man möchte fast sagen
unverantwortliche unwissenheit nicht nur auf den durchschnittlich um
sexualfragen sich kümmernden leuten, sondern in der tat auf all den ärzten und
selbst auf den größten forschem, Spezialisten und lehrern auf den gebieten von
liebe und geschlechtlichkeit. In wirklichkeit weiß das volk oft mehr darüber als
die anerkannten professoren. Forel erwähnt in seiner "Sexuellen frage" die
Karezza-möglichkeit mit keiner silbe, hat daher auch wohl nie etwas davon
gehört. Bloch, in seinem umfassend seinwollenden werk "Das geschlechtsleben
unserer Zeiten", erwähnt wohl dr. Stockham in einem andern zusammenhang, weist
aber nur in einem zweideutigen abschnittchen möglicherweise auf Karezza,
anscheinend auf eine unvollkommene form, hin, lehnt aus rein teoretischen
gründen ab, augenscheinlich ohne je die geringste persönliche erfahrung oder
auch nur beobachtung gemacht zu haben. Havelock Ellis in
seiner"Sexualpsychologie" ist besser unterrichtet und freundlicher gestimmt,
scheint aber fast nur um die erfahrungen der Oneida-genossen zu wissen, ohne
durch eigene erlebnisse bestätigungen gesucht zu haben.
EINWÄNDE
Die allgemeine Unwissenheit, gleichgültigkeit, ablehnung der
männer, selbst einem versuch gegenüber, ist erstaunlich. Die meisten erklären
rundweg, Karezza sei unmöglich. Fast alle ärzte behaupten, sie sei schädlich,
obschon sie sich auf keinerlei praktische erfahrungen, weder an sich noch an
andern, stützen können. Die meisten frauen dagegen, die irgendein erleben dieser
art gehabt haben, sind überschwäng-lichen lobes voll, bezeichnen Karezza als die
rettung ihres Sexuallebens, als die eigentliche kunst und poesie der liebe, was
sie ja wirklich auch darstellt. Doch da die meisten männer zu keinem versuch zu
bewegen sind, so wissen auch nur die wenigsten frauen von den unschätzbaren
wohltaten, die ihres geschlechtes hier warten.
Der erste einwand lautet meist, Karezza sei "unnatürlich". Noyes antwortet
darauf sehr geschickt. Es ist auch wirklich albern, wenn menschen, die alkohol,
kaffee, tee und, obschon erwachsen, milch trinken, die rauchen, gekochte nahrung
essen, in geheizten häusern wohnen, kleider tragen, bücher schreiben, sich
rasieren, maschinen brauchen und tausenderlei dinge tun, von denen der urmensch
nichts wissen konnte - wenn solche menschen eine bloße Handlung der mäßigung und
meisterung eines lustgeschehens als "unnatürlich" verurteilen. Solche leute
denken nicht zu ende. Sie kämen sonst zu Schlüssen, die den meisten wenig
behagten. Wollen sie ihr geschlechtsleben mit der ursprünglich tierhaften natur
in einklang bringen, so darf eine sexualverbindung nur stattfinden, wenn der
weibliche teil, zu gewissen jahreszeiten und unter gewissen umständen, den
männlichen teil einladet, und als folge muß die zeugung eines kindes eintreten.
Nach ihrer auffassung müßte jegliches liebende körperliche zusammenkommen, das
keine leibliche befruchtung bezweckt, als "unnatürlich" bezeichnet werden. Diese
gleichen männer, die gegen das "unnatürliche" reden, veranlassen ihre frauen,
Spülungen vorzunehmen, Chemikalien und mechanische Vorrichtungen aller art zu
verwenden, um die natürlichen folgen ihres tuns zu unterbinden. Hiebei scheint
ihnen die "natürlichkeit" nicht in frage zu stehen. Karezza ist unbedingt
natürlich, im ganzen geschehen, vom anfang bis zum ende. Überall, selbst unter
den niedrigsten lebewesen, veranlaßt die Natur oft genug folgendes: sie hält
eine handlung auf, wenn die erfahrung gelehrt hat, es könnten unerwünschte
folgen zu erwarten sein. Eine derartige hemmung liegt auch Karezza zugrunde. Es
handelt sich einfach um klugheit und geschicklichkeit im reiche der sexualität,
die form und richtung einer tätigkeit in solchem sinne ändern, daß die
erwünschte lust voll erlebt, die unerwünschten folgen jedoch vermieden werden.
Dies ist alles. Künstliche mittel werden keine beigezogen. Ähnlich gedankenlose
Voreingenommenheit liegt der behauptung zugrunde, die ausübung von Karezza sei
schädlich. Ich persönlich habe nun über vierzig jahre auf diese weise geliebt.
Ich wurde damit bekannt durch A. Chavannes, der mit seiner frau zwanzig jahre in
solcher ehe gelebt hat. Seit 1846 ist Karezza in Amerika bekannt. Die
Oneida-genossen übten sie seit dreißig jahren, wie Havelock Ellis feststellt.
Ich habe mitglieder dieser gemeinschaft gekannt. Ich habe alles gelesen, was
irgendwie mit diesem problem zusammenhing, habe mit allen menschen gesprochen,
von denen ich wußte, daß sie eigene erfahrungen gemacht hatten. Und das ergebnis
? Ich habe noch von keiner einzigen frau gehört, die auch nur im geringsten eine
einwendung gemacht hätte in dem sinne, Karezza sei der gesundheit nicht
zuträglich oder zeitige unerfreuliche nacherscheinungen. Bloß ihrer drei, alle
mit kurzen erfahrungen, sagten, die gewöhnliche umarmung biete ihnen größere
lust; die meisten andern behaupten nachdrücklich das gegenteil. Van de Warker,
sagt Havelock Ellis, "untersuchte zweiundvierzig frauen der Oneida-gemeinschaft
und fand weder ein vorherrschen von frauenkrankheiten noch irgendwelche
krankhaften zustände, die als folge dieser geschlechtsgewohnheiten hätten
betrachtet werden können." Man setze dies in vergleich mit dem herkömmlichen
Sexualleben, das, besonders von frauen, ständig angeklagt wird, es verursache
ungezählt viele Schädigungen und leiden; eine erschütternde tatsachenweit
bestätigt diese behauptung. Nach fünfundzwanzig-jährigem bestehen der
Oneida-gemeinschaft regte die New York Medical Gazette eine Untersuchung durch
amtliche sachverständige an und stellte fest, daß nach dem bericht von dr. med.
Theodore R. Noyes die zahl der nervenleiden in dieser gemeinschaft beträchtlich
unter dem durchschnitt anderer volkskreise liege. Dieser bericht wurde vom
herausgeber der Medical Gazette hervorgehoben als "ein muster sorgfältiger
beobachtung, das in sich selber den beweis unbedingter ehrlichkeit und
unparteilichkeit trägt."
Ärzte, die Karezza verurteilen oder ihre zweifel darüber äußern, haben fast ohne
ausnahme keinerlei er-fahrung auf diesem gebiet. Sie stellen sich vor, sie müsse
schädlich wirken und behaupten dies dann schlankweg als tatsache. Reizbarkeit,
entzündungen der Vorsteherdrüsen (prostatitis) und anderer innerer organe sollen
unweigerlich folgen. Wir wissen aber alle, wieviel bloße Vermutungen sich in der
sogenannten medizinischen "Wissenschaft" so leicht breitmachen, wie oft zwei
geschehnisse, die zeitlich zusammenfallen, in solche beziehung gesetzt werden,
als ob es sich um ursache und wirkung handle. Ich sehe aber auch ohne weiteres
ein, daß, wo wissen und erfahrung mangeln, eine ausübung dieser kunst obige
krank-heitserscheinungen nach sich zu ziehen vermag. Karezza, in ihrer
vollendeten form, verwandelt sexuelle leidenschaft mehr oder weniger in liebende
zärtlichkeit und legt den gedanken nahe, daß ein orgasmus weder beabsichtigt
noch erwünscht sei. Beginnt nun, im gegensatz dazu, ein mann eine
geschlechtliche umarmung mit dem gedanken, sein hauptbe-dürfnis sei ein orgasmus,
den er aber mit gewalt zu verhindern trachten müsse; wenn er sich, wie die frau,
aufs äußerste in körperliches lustgeschehen hineinpeitscht, sich jedoch kurz vor
ende höhepunkt und abklingen versagt; wenn ihm zärtlichkeit nichts und
sexuallust alles bedeuten, dann liegt auf der hand, daß eine derart abgewürgte
leidenschaft verhängnisvoll ins nervensystem zurückschlagen kann, wie jede
starke erregung, der kein ausweg offen steht. Es ist, wie wenn ein mann
wildesten rachegedanken frönt, jedoch die zähne zusammenbeißt und sich nichts
merken läßt: da kann ein blutgefäß platzen, ein schlagan-fall erfolgen. Das wäre
dann in der tat eine art "männlicher enthaltsamkeit", rein auf körperlicher
seite; mit Karezza in meinem sinne hat dies aber nichts zu tun.
GRUNDGESETZE
Karezza setzt eine vorbereitende geistige einstellung voraus.
Verständnis und überzeugung haben vorzuherrschen, daß die geistige, die zärtlich
liebkosende seite der vereinigung viel wichtiger sei, daß sie in wirklichkeit
viel tiefere lust biete als ein vorwiegend körperlicher Sinnenkitzel, daß
während des ganzen beisammenseins die leidenschaft sich der liebe unterzuordnen
habe als ihr Werkzeug, ihre tragende und wirkende kraft. Wirklich hat bei diesem
fest die Sexualität ihr bestes zu schenken, doch zur Verherrlichung der Liebe,
deren leitung sie sich zu unterstellen hat. Zweitens hat unbedingte klarheit
darüber zu herrschen, daß bei solchem liebesfest der orgasmus ein störenfried
ist, ein plumper zufall aus unbeholfenheit, der für einige zeit allem
lusterleben ein ende setzt und daher höchst unerwünscht ist. Drittens muß das
psychologische gesetz verstanden werden, das alle gefühlsregungen (emotionen) in
beträchtlichem grade umgewandelt (sublimiert), in veränderter richtung auf
andere bewußtseinsinhalte gelenkt werden können. Wir alle haben schon erlebt,
wie redner oder schauspieler die gefühle ihrer zuhörer stark zu erregen und sie
dann, nach ihrem wollen, in lachen oder weinen, in liebe oder haß, in mitleid
oder rache, in geilheit oder reinheit überzuleiten vermögen. In dieser art
sublimiert der Karezza-künstler einen teil seiner sexualleidenschaft in
verfeinerten, geistgetragenen, poetisch schönen und herzenssüßen liebesausdruck
und verhütet dadurch eine örtliche überspannung der geschlechtszone und damit
eine plötzliche entladung. Die seele nimmt die an sich blinde sexualerregung an
sich, zerteilt sie und erleuchtet das ganze wesen für einen bedeutend
verlängerten zeitraum mit ihrer freudebringenden, erhebenden kraft. Man mag dies
vergleichen mit einem manne, der zu einer festlichkeit ein faß pulver mitbringt,
es jedoch nicht in einer einzigen gewaltigen explosion (orgasmus) verknallt,
sondern die ganze spannkraft, in form eines wundervollen feuerwerks, auf den
ganzen abend verteilt und so zur entladung bringt. In beiden fällen wird das
gesamte pulver verbraucht; nur daß die schaustellung der zweiten art einen viel
längeren ge-nuß bietet, feiner, künstlerisch hochstehender ist und umfassender
befriedigt.
Solcher art ist der "orgasmus" von Karezza. Es handelt sich um das vorherrschen
von kunst, verstand, moral und etik innerhalb der liebesfreuden, gegenüber
roher, rücksichtsloser gier. Doch auch dieser vergleich läßt Karezza noch nicht
gerechtigkeit widerfahren. Ist das pulver verbrannt, so bleibt für uns nichts
übrig. Anders ist es bei Karezza.
(Ende des Auszugs)
Das Buch KAREZZA PRAXIS ist für 7,00 EUR erhältlich bei:
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